Brut und Aufzucht

Ueber Sinn und Unsinn der Schildkrötenzucht streiten sich die Gemüter! Leider gibt es sehr viele Schildkrötenhalter, die ihre Tiere einfach vermehren, ohne über deren Herkunft im Klaren zu sein. Viele dieser Mischlinge landen dann zu Dumping-Preisen  bei Händlern oder bei neuen unaufgeklärten Haltern. Oft als Geschenk für Kinder, wo man ihrer dann bald wieder überdrüssig wird. In vielen Fällen ist es dann eine Auffangstation, die sich der bedauernswerten Geschöpfe annehmen muss.

Züchten heisst, mit Tieren gleicher Gattung und Unterart, bestmögliche, gesunde Nachzucht zu erzeugen. Das Ziel ist Tiere zu erhalten, die den in freier Wildbahn geborenen, in nichts nachstehen. Sie sollten  also auch in ihrem Herkunftsgebiet  mit gutem Gewissen wieder ausgewildert werden können, um dort der Erhaltung der oft bedrohten Arten  zu dienen.  Ich schreibe bewusst „sollten!“ Es ist, nur bei wissenschaftlich begleiteten und bewilligten Experimenten erlaubt, Nachzuchten auszuwildern.

Gleichwohl lege ich und einige andere seriöse Züchter grossen Wert auf Reinrassigkeit, mit dem Wissen, ein kleines Reservoir an bedrohten Schildkröten zu hegen und zu pflegen.

In der oberen Bildmitte sehen wir eine Ei-Ablagestelle von der sich das Weibchen bald entfernen wird. Nach der Eiablage gibt sich das Weibchen alle Mühe, das Nest geschickt zu tarnen. (Bild ganz oben)

In der Natur, manchmal sogar in meinem Garten, lauern mannigfaltige gepelzte und gefiederte Nesträuber, die sich an einer Eiermahlzeit nur zu gerne gütlich tun. Manchmal können wir an der Verfärbung und leichten Veränderung der Oberflächenbeschaffenheit des Bodens, solche Stellen erkennen. Ist aber die Oberfläche einmal abgetrocknet, wird es sehr schwierig.  Die Weibchen schaffen es, ohne dass sie sich vor- oder nachher optisch gross  um die Stelle gekümmert haben, den vorherigen Zustand der Bodenbeschaffenheit, wieder zu erstellen. Das Weibchen kümmert sich danach nicht mehr um seinen Nachwuchs. Das Gelege ist sich selbst überlassen. Die Sonne und das entsprechendes Klima,  sorgen für das Brutgeschäft! Je nach Temperatur schlüpfen die Jungen nach ca. 90 Tagen!
In unseren Breitengraden ist das Klima meistens zu unbeständig. Die vielfach zu langen Schlechtwetterperioden, verunmöglichen meistens einen Schlupf der Jungen. Ausnahmen bestätigen aber auch diese Regel!

Jetzt schreiben wir das Jahr 2020. Meine letzte Aussage muss ich revidieren. Seit wenigen Jahren, haben viele Schildkrötenhalter plötzlich Babies ihrer Pfleglinge in ihren Gehegen entdeckt. Die Situation verlangt jetzt sogar, dass wir die Gelege ausgraben und entsorgen, wollen wir keine ungewünschte Nachzuchten. Die Klimaerwärmung lässt grüssen!

Inkubator mit Gelegen
Inkubator mit Gelegen

Sind aber Nachzuchten gewünscht, werden die Eier, möglichst bald nach der Ablage, vorsichtig ausgegraben, mit einem Bleistift (kein Filz oder Tintenstift) oben markiert und im Inkubator künstlich ausgebrütet. Im Gegensatz zu Vogeleiern, die täglich bewegt werden müssen, dürfen Reptilien-Eier nach dem Anbrüten nicht mehr bewegt und keinesfalls umgedreht werden.

Gelege nach dem Ausgraben
Gelege nach dem Ausgraben

Die künstliche Brut erfolgt nun mit einer konstanten Temperatur von 33-35 Grad.  8 Stunden senke ich die Temperatur auf die normale Umgebungswärme und simuliere so die Nachtabsenkung. Meine Schildkröten-Babys schlüpfen auf diese Weise nach ziemlich genau 60 Tagen.  Die Brut-Temperatur spielt insofern eine Rolle, indem sie verantwortlich ist für das entstehende Geschlecht. Bei einer Temperatur ab 33 Grad schlüpften bei mir nur weibliche Jungtiere. Meine Versuche, die Höchsttemperatur auf 32 Grad anzusetzen, um Panzer-Anomalien zu verhindern, waren auch nicht des Rätsels Lösung.  Mittlerweile weiss ich, dass auch bei niedrigen Temperaturen, Panzeranomalien nicht auszuschliessen sind. Von 10 mutmasslichen Männchen, die ich mit 29 Grad ausgebrütet habe, hatte ein Schlüpfling doch auch ein ganz kleines 6. Wirbelschild. Die Brutzeit dauerte übrigens um die 6 Tage länger als bei den parallel eingelegten „Weibcheneiern“.DSCN3696

Gelege Schlupf
Gelege am Schlüpfen
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Blick in einen Brutkasten

Aufzucht der jungen Schildkröten

In  früheren Jahren habe ich meine Schlüpflinge anfänglich in einem gesonderten Baby-Hort untergebracht. Dieser bestand aus einer Kunststoffschale,  in der das Substrat über einem Wasserbad von   3-4 cm Höhe lagerte. Mit einem Lochblech, das mit einem Vlies abgedeckt war, liess sich das Substrat sehr gut vom Wasser trennen.  Die kleinen Schildkröten hatten somit immer genügend Feuchtigkeit von unten. Die Resultate waren sehr gut. Die Jungtiere wuchsen mit glatten Panzern  und ohne Probleme heran. Mein Bestreben geht jedoch dahin, möglichst naturnahe Verhältnisse zu simulieren! Mit dem Wissen, dass die Feuchtigkeit eine sehr wesentliche Rolle bei der Entwicklung eines schön geformten Panzers spielt.

Schlüpflinge Anfangs Juli 2014
Schlüpflinge Anfangs Juli 2014

Grosse Freude bereiten mir die F2 Nachzuchten. Die Schlüpflinge sind zwar noch fast halb so gross wie diejenigen der alten Weibchen, aber nicht minder vif, beweglich und frohwüchsig.

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gleichaltrige Schlüpflinge, oben, von Alttier ca 11gr. unten F2 von 10-jähriger  Nachzucht 6 gr.
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Wo bin ich denn hier? Eines der nachstehend abgebildeten Jungtiere am 14. August 2014 vor dem Schlupf. Der Eizahn ist in der Vergrösserung deutlich zu sehen!
die drei letzten Jahrgang 2014
Das letztgeschlüpfte Trio des Jahrgangs 2014

14./15. August 2014 aus den drei letzten Mini-Eier sind diese gesunden, aber kleinen Schildkröten F2, geschlüpft. Gewicht zwischen 6.5 und 7.0 gr. Das Kleine links ist gerade einige Stunden alt. Für mich ist es ein Erfolgserlebnis, das mir die Gewissheit gibt, auf der richtigen Linie zu liegen. Wenn 10- und 11-jährige Weibchen aus meiner Zucht, wieder schönen, gesunden Nachwuchs hervorbringen, ist es sicher als Zeugnis einer guten,  naturnahen Tierhaltung zu werten.

Bald nach dem Schlupf lasse ich die frisch geschlüpften Jungtiere, nachdem sich die Nabel-Spalte geschlossen hat, in einer flachen Schale trinken.  Obwohl meine Inkubatoren eine Feuchtigkeit von min. 80% zeigen, sind die Kleinen ausnahmslos durstig und trinken erstmals um 1 gr, Wasser. Nachdem sie noch einige Tage im Inkubator verbracht haben, bringe ich sie nun direkt zu den vorjährigen Jungen in’s Jugendabteil im Chelonium. Hier haben sie die Möglichkeit, noch ausgiebig von der Spätsommer-Sonne, auch unter freiem Himmel,  zu profitieren.

Tränke für Jungtiere
Tränke aus rostreiem Stahl für Jungtiere (System Otti Steck) Die gelochten Stahlreifen liess ich anfertigen, um ein zu tiefes Eintauchen oder gar Ertrinken der Kleinsten zu verhindern.
Tränke für Jungtiere
Auch die Kleinsten finden die Tränke instinktiv! Die Verschmutzung durch die Kleinen ist minimal und zudem lässt sich eine Metalltränke bequem im Geschirrspüler reinigen.

Wichtig, auch im Frühbeet soll immer genügend Feuchtigkeit vorhanden sein, damit das richtige Mikroklima gegeben ist. Es heisst also, öfters mit der Brause nachzuhelfen. Die Kleinen leben hier anfänglich recht scheu und versteckt.  Sie wachsen daher eher langsamer und nehmen im Schlupfjahr weniger an Gewicht und Grösse zu als die nach der vorher beschriebenen Methode gehaltenen Jungen. Für die spätere Entwicklung sehe ich dies aber als Vorteil und eher naturgegeben.

Jedenfalls überwintern so auch spät im Sommer geschlüpfte Junge, ohne dass sie noch viel Nahrung aufnehmen konnten, problemlos. Die aus dem Ei mitgenommene Nahrungs-Reserve reicht also vollauf, die Winterstarre zu überstehen. Behauptungen, wonach Jungtiere im ersten Winter keine Winterruhe machen sollen, möchte ich damit absolut widersprechen! Es ist nicht lange her, als ich an einer Reptilien-Ausstellung Zeuge eines Gesprächs wurde, wo ein Verkäufer seinem Kunden erklärte, dass er die kleinen Schildkröten in einem Terrarium überwintern müsse!

In der Natur bestehen aber für alle Altersklassen die gleichen Bedingungen!

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2014, 2-jährige Jungtiere nach der Winterruhe
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2016, Kampf um die besten Sonnenplätze am Morgen! 2-jährige THH
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Die ersten Sonnenstrahlen im Haus sind begehrt!
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Die Einjährigen 2016!
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Mai 2016 und der Jahrgang 2015!

Testudo hermanni hermanni / toscana

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